BERGHEIM

Willkommen im Stadtteil von Ortenberg in der Wetterau

Gebietsreform
Bergheim und der Verlust der Infrastruktur Teil 1

Dieser Artikel ist kein Rückblick auf die sogenannte „Gute Alte Zeit“, sondern eine Bestandsaufnahme der fünfziger bis siebziger Jahre, denn Computer, Internet und Elektronik haben unser Denken und Handeln total verändert. Was gestern war, interessiert heute kaum noch jemanden, in dem Neuen, in dem Ungewissen liegt anscheinend das Interesse. Bergheim ist in seiner räumlichen Entwicklung sehr eingeengt. Die Innenabgrenzung des Auenverbundes Wetterau/ Vogelsberg geht bis teilweise an den jetzigen Ortsrand. Eine bauliche Entwicklung ist sehr begrenzt. Die Infrastruktur ging zum Großteil verloren. Gemeindeverwaltung, Volksschule, Bank und Sparkasse, Postamt, Einzelhandelsgeschäfte, Gaststätten, Vollerwerbslandwirte usw.

1971 verlor Bergheim seine Eigenständigkeit und wird einer von 10 Stadtteilen Ortenbergs. Der letzte Bürgermeister war Hugo Jüngling. Beim Gemeinderechner Richard Kleer zahlten die Bürger ihre Steuern und Abgaben noch bar bei der Gemeindekasse ein. Eine wichtige Person war auch der Ortsdiener in der Person von Heinrich Mäser, von Beruf Schuhmacher. Er ging noch mit der Ortsschelle durch das Dorf, um amtliche Bekanntmachungen und private Mitteilungen (wie den Termin einer Beerdigung) bekanntzugeben.

Um die Pflege des Waldes (Wege und Wasserläufe) kümmerten sich in vorbildlicher Weise Ernst Link. Es gab noch Vollerwerbslandwirte, deshalb hatte die Gemeinde eine eigene Bullenhaltung mit einem Bullen. Der Bulle stand im Stall von Walter Emrich, wurde von ihm betreut und seiner Aufgabe zugeführt.

Ein unvergessenes Bild war es dem Seitze Karl und Ernst Müller zuzusehen, wenn sie mit ihren schweren Pferden bei der Holzernte im Einsatz waren.

Das politische Geschehen lag in der Hand des Bürgermeisters, zwei Beigeordneten und dem Gemeinderat mit neun Personen. Bis 1971 waren alle Gemeindevertreter parteilos. Ähnlich wie heute wurden die Kandidaten in einer öffentlichen Versammlung gewählt. Vorher wurde sich geeinigt, wie viele Arbeiter, Bauern, und Flüchtlinge in den Gemeinderat kommen sollten.

Bei einer Gemeindewahl lag ein Wahlzettel mit dem handschriftlichen Vermerk

              „Jesaja Kapitel 41 Vers 24“

in der Wahlurne. Der verblüffte Wahlausschuss holte sofort eine Bibel, um sich zu informieren. Unter Jesaja stand zu lesen:

              „Siehe ihr seid aus nichts, euer Tun ist nichts, euch zu wählen ist ein Gräuel.“

Die bibelkundige Wählerin wurde nie bekannt.

Mit einer großen Feier und einem Festumzug wurde am 22. Juli 1951 die neue Volksschule eingeweiht. Die beiden Lehrer Robert Müller und Konrad Weißenstein, später Gisela Brousek-Fischer unterrichteten hier alle acht Schuljahre verteilt auf zwei Klassen. Nach dem Bau der Gesamtschule Konradsdorf verließen die Klassen fünf bis acht Bergheim. Später gingen die Klassen eins bis vier nach Ortenberg zur Schule. Der Schulstandort Bergheim war Geschichte. In dem Gebäude befindet sich heute das Montessori Kinderhaus Bergheim.

Text basierend von Otto Emrich

Gemeinde – Report

Ausgabe 22

März – Mai 2016

 

Gebietsreform
Bergheim und der Verlust der Infrastruktur Teil 2

Über viele Jahre war die Raiffeisengenossenschaft Bergheim in unserem Ort eine wichtige Institution. Sie betrieb eine Bank, ein Lebensmittelgeschäft und den Handel mit Heizmaterial und landwirtschaftlichem Bedarf. Die Bankgeschäfte wurden bei dem Genossenschaftsrechner Alfred Mohr in dessen Wohnzimmer durchgeführt, während sich das Lebensmittelgeschäft zuerst im Haus Hensel befand und von Frau Anna Hensel geleitet wurde. Später war der Laden im Haus des damaligen Bürgermeisters Jüngling (Im Bleichetal 56) und wurden von der Eheleuten Jüngling geführt.

Der Lagerplatz für Kohle und Briketts war bis in die achtziger Jahre direkt hinter der Kirche. Das in den siebziger und achtziger Jahren einsetzende Fusionsfieber machte auch vor der Raiffeisengenossenschaft Bergheim nicht halt. Man fusionierte mit der Raiffeisengenossenschaft Bleichenbach und baute neben dem Anwesen Helmut Wenzel (Im Bleichetal 44) ein neues Bankgebäude mit Lagerräumen für den Einzelhandel. Doch dies war nicht von langer Dauer. Die Raiffeisengenossenschaft Bleichenbach/Bergheim fusionierte mit der Volksbank Büdingen und somit war die Raiffeisengenossenschaft Bergheim Geschichte.

Neben diesem Lebensmittelgeschäft betrieben die Eheleute Richard und Martha Mohr (Im Bleichetal 34) und der dritte im Bunde ist der Laden von Elfriede und Helmut Wenzel (Im Bleichetal 44), welcher zum Bedauern der meisten Bergheimer in nächster Zukunft schließen wird. Die Eheleute betrieben auch eine Gastwirtschaft, einen Saal und eine Kegelbahn.

Die Poststelle war ein fester Bestandteil im Bergheimer Alltag. Sie befand sich im heutigen Anwesen Hartmuth Mohr (Breitehaidsweg 1) und wurde viele Jahre von der Familie Mohr betrieben. Der Post-Otto war auch eine feste Institution in Bergheim. Auch die Poststelle Bergheim wurde geschlossen, so war dies auch Geschichte.

Die Bergheimer waren offenbar ein geselliges Volk, denn es konnten vier Lokale existieren. Die Gastwirtschaft Höhl hatte zwei Gasträume. Wie bereits erwähnt die Gastwirtschaft Wenzel. Hier war der heutige Laden der Gastraum und die heutige Gaststätte war der Lebensmittelladen. Bekannt war auch der Ecke-Mohr (Wiesenstraße 2) besonders durch seinen Apfelwein. Gar manche Kirmes wurde im Hof der Wirtschaft Mohr abgehalten, nachdem die Mistkaute vor der Treppe abgedeckt war und genügend Platz zum Feiern zur Verfügung stand.

Unvergessen für die ältere Generation ist das Cafe‘ Wenzel (später Pension Hellbach,Am Borngarten3). Auch die Inhaberin Frieda Wenzel war eine Bergheimer Institution, bei Ihr fühlte sich jeder in gehobener Atmosphäre wohl. Später eröffnete Walter Weidling eine Gaststätte (bis 2019). Die Lokale Höhl, Mohr und Frieda Wenzel sind Geschichte. Aber auch im Gastraum von Helmut Wenzel gibt es seit 2020 keinen Ausschank mehr. Von nun an existiert in Bergheim keine Gastwirtschaft mehr.

Vor dem Ende der Selbstständigen Gemeinde Bergheim und dem Abschluss der Flurbereinigung wurden noch einige ortsbildprägende Baumaßnahmen durchgeführt. An dieser Stelle sei hier der Bau des Sportplatzes und der Trauerhalle auf dem Friedhof genannt. Voll des Stolzes waren die politisch Verantwortlichen, dass Bergheim als einzige der zehn Gemeinden schuldenfrei war.

Der Touristenverein „Die Naturfreunde“ Ortsgruppe Büdingen unter Führung von Heinrich Brousek Fischer und Hans Wilhelm Guth bauten das Naturfreundehaus. Unvergessen bleibt die Eröffnungsfeier mit der Witwe von Wilhelm Leuschner, Widerstandskämpfer gegen Hitler sowie weiteren über 300 Gästen. Es gäbe sicherlich noch viel zu berichten, vielleicht einmal später. Die neue Zeit hat schon lange begonnen, vergessen wir aber die Vergangenheit nicht.

Text basierend von Otto Emrich

Gemeinde – Report

Ausgabe 24

September – November 2016